Hat Ihr Schweizer Unternehmen einen Verwaltungsrat mit Wohnsitz in der EU?
Wussten Sie, dass Ihr VR unter Umständen mit seinem gesamten, weltweiten Erwerbseinkommen den Schweizer Sozialversicherungen untersteht?
Was sind mögliche Probleme bei der sozialversicherungsrechtlichen Unterstellung bei Ausübung eines VR-Mandates in einer Schweizer Gesellschaft?
In einer globalisierten Wirtschaftswelt sind viele Führungskräfte in unterschiedlichen Ländern tätig. Neben den steuerlichen Folgen sind dabei auch die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen zu beachten.
Fall 1
Ein deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland und einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Aufsichtsrat wird zusätzlich Verwaltungsrat einer Schweizer Gesellschaft
Einschätzung: Als Verwaltungsrat unterliegt sein Verwaltungsratshonorar den Schweizer Sozialabgaben. Aber auch sein Einkommen aus der Tätigkeit als Aufsichtsrat in Deutschland unterliegt den Schweizer Sozialversicherungsabgaben.
Fall 2
Eine spanische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Spanien wird neben ihrer Tätigkeit als Konzernchefin einer international tätigen Unternehmensgruppe auch Verwaltungsrätin einer Schweizer Tochtergesellschaft. Für ihre Tätigkeit als Verwaltungsrätin erhält sie keine Entschädigung.
Einschätzung: Auch in diesem Fall besteht das Risiko, dass die Schweizer Sozialversicherungsbehörden nicht nur auf ihrem etwaigen Einkommen aus der Verwaltungsratstätigkeit, sondern auch auf ihrem ausländischen Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit Sozialversicherungsabgaben erheben.
Als Verwaltungsrätin gilt sie grundsätzlich als in der Schweiz erwerbstätig, unabhängig davon, ob sie die ihr zustehenden Befugnisse tatsächlich ausübt oder nicht. Ebenfalls nicht massgebend ist der Umstand, dass die Honorare der betroffenen Person allenfalls nicht direkt ausbezahlt, sondern an eine ausländische Gesellschaft überwiesen werden oder dass gar keine Entschädigung ausgerichtet wird.
Hintergrund
Grundsatz der Einfachunterstellung
In all diesen Fällen ist das Freizügigkeitsabkommen massgebend. Dieses regelt, welchem Versicherungssystem eine international erwerbstätige Person unterstellt ist.
Die Versicherungsunterstellung hängt massgeblich davon ab, ob ein wesentlicher Teil der Erwerbstätigkeit im Wohnstaat ausgeübt wird. Insbesondere unterliegt eine Person immer nur den Rechtsvorschriften eines einzigen EU-Mitgliedstaates oder der Schweiz. Doppelunterstellungen oder andere Sondervorschriften sind seit dem 1.1.2012 nicht mehr möglich. Die Beitragserhebung erfolgt dann nach dem für anwendbar erklärten nationalen Recht.
Divergierende Qualifikationen
Für die Qualifikation als selbständige (SE) oder unselbständige Erwerbstätigkeit (USE) gelangt immer das lokale Recht desjenigen Landes zur Anwendung, in welchem die entsprechende Tätigkeit ausgeübt wird. Dies kann in einigen Fällen zu divergierenden Qualifikationen von ein und derselben Tätigkeit führen, wenn sie in unterschiedlichen Ländern ausgeübt wird. Ein „Klassiker“ ist beispielsweise die Tätigkeit als Verwaltungsrat – diese gilt in der Schweiz als unselbständige Erwerbstätigkeit, in den meisten EU-Ländern hingegen als selbständige Tätigkeit.
Gravierende Folgen
In den meisten EU-Ländern sind die Sozialversicherungsabgaben auf einen Maximalbetrag begrenzt. Im Gegensatz dazu kennt die Beitragspflicht bei den Schweizer Sozialversicherungsabgaben keine Begrenzung nach oben. Bei Beitragssätzen von bis zu 9.7% für selbständig Erwerbstätige kann dies beispielsweise für einen deutschen Aufsichtsrat mit einem Jahressalär von EUR 300‘000 durchaus ins Gewicht fallen.
Nachfolgend findet sich eine Übersicht über die sozialversicherungsrechtliche Unterstellung:
USE in mehreren Staaten
Arbeitnehmende, die für denselben Arbeitgeber in mehreren Staaten tätig sind, müssen mindestens 25% ihrer Erwerbstätigkeit im Wohnstaat ausüben. So bleiben sie dem Sozialversicherungsrecht ihres Wohnstaates unterstellt.
Wer weniger als 25% im Wohnstaat erwerbstätig ist, wird den Rechtsvorschriften desjenigen Staates unterstellt, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
Arbeitnehmende, die für mehrere Arbeitgeber mit Sitz in verschiedenen Staaten erwerbstätig sind, bleiben im Wohnstaat unterstellt.
SE in mehreren Staaten
Auch Selbständigerwerbende, die in mehreren Staaten tätig sind, müssen mindestens 25% ihrer Erwerbstätigkeit in ihrem Wohnstaat ausüben. So bleiben sie dem Sozialversicherungsrecht ihres Wohnstaates unterstellt. Wer weniger als 25% im Wohnstaat erwerbstätig ist, wird den Rechtsvorschriften desjenigen Staates unterstellt, in dem sich der Mittelpunkt der selbständigen Erwerbstätigkeit befindet.
Gleichzeitige USE und SE in mehreren Staaten
Die Regeln für die Versicherungsunterstellung aus unselbständiger Tätigkeit gehen vor. Es ist also keine Doppelunterstellung möglich.
Wer gleichzeitig als Arbeitnehmer und als Selbständigerwerbender in mehreren Staaten tätig ist, wird ausschliesslich den Rechtsvorschriften des Staates unterstellt, in der die unselbständige Tätigkeit erfolgt.
2021 © Alle Rechte vorbehalten |
Hinterlasse einen Kommentar